01.08.2025

Vom Sichtbaren zum Unsichtbaren

... unsere Sehnsucht nach himmlischer Klarheit

Was sehen wir, wenn auf unser Leben schauen? Unsere Probleme, Krankheiten, Nöte, vielleicht sogar Einsamkeit, Angst und Verzweiflung?

Was sehen wir, wenn wir auf unsere Welt schauen, in nah und fern? Krisen, Kriege, Hungersnot? Zerstörungen von Natur, Kultur und Gemeinschaft? Unwahrheiten und Hass, die sich ungebremst ausbreiten und alles zu überfluten scheinen?

Was sehen wir, wenn wir auf unsere Kirchen schauen? Auch hier Zeichen von Rückgang und Glaubensverlust, das Geschwür des Missbrauchs? Eine rückläufige Zahl von Gottesdienstbesuchern, schrumpfende finanzielle Möglichkeiten, Aufgabe von Gemeinden, Kirchenschließungen? Reformstau, Veränderungsdruck und nicht enden wollende Transformationsprozesse?

Was sehen die Jünger Jesu, die mit ihm in Galiläa unterwegs sind? Einen charismatischen Lehrer und Prediger, der heilsame Wunder tut? Den, der endlich in der Lage ist, die verhasste Herrschaft Roms über das gelobte Land zu beenden und das Königreich Israels wieder herzustellen?

 

Am kommenden Mittwoch (6. August) feiert die Kirche das Fest Verklärung des Herrn (Lk 28b-36). Hier sehen Petrus, Johannes und Jakobus auf einem Berg plötzlich und unerwartet einen ganz anderen Jesus, als den, den sie bisher erlebt hatten. Sie sehen ihn „in strahlendem Licht“ mit Mose und Elíja über sein Ende in Jerusalem sprechen und aus der Wolke erschallt eine Stimme: Dieser ist mein auserwählter Sohn, auf ihn sollt ihr hören (Lk, 9,35).

Jetzt müssen die Jünger verstehen lernen, dass der Weg Jesu kein Weg ist, der immer weiter nach oben führt, kein Triumphzug eines großartigen Helden ist, sondern ein Weg nach unten. Ein Weg der Wandlung, durch Leiden und Tod zu neuem Leben.
In der Übersetzung der Lutherbibel heißt es – vielleicht für uns noch besser verständlich – „sie sahen seine Klarheit“. Wie sehr sehnen wir uns doch nach dieser „Klarheit“ in der Unübersichtlichkeit unserer Zeit! Nach der Klarheit einer Gotteserfahrung, die uns Hoffnung gibt auf die Überwindung unserer Sorgen, Nöte und Krisen.

 

Wer jetzt Ferien machen kann, der hat vielleicht das Glück, Orte der Erfahrung des Göttlichen zu finden: Berggipfel, die einen anderen Blick ermöglichen, eine Wandlung aller Perspektiven; das Meer, dessen Weite die Enge des Herzens auflöst und durchatmen lässt; Gärten, die Zeichen der Versöhnung von Natur und Kultur und Ahnung des Paradieses sein können. Oder Kirchen, die zu uns von Jahrhunderte langem Beten und Glauben sprechen.

Mit Blick auf die Veränderungen und Wandlungen, die uns in unseren Gemeinden erwarten, kann uns vielleicht inspirieren, was der Benediktiner E. Salmann OSB bereits vor etwa 20 Jahren beschrieben hat: „Wo können wir Spuren des vorübergegangenen Gottes entdecken? Wo hält sich der christliche Gott im Augenblick versteckt? Wo wäre er aufzuspüren? Wie zu bezeugen? Wie seiner Gegenwart eine Gestalt geben? Das scheint mir der Kern der Sache zu sein. Ob jetzt zehn Pfarreien zusammengelegt und mit drei Pfarrern oder fünf Pastoralassistentinnen besetzt werden, das interessiert auf Dauer keinen Menschen. Das ist für das Funktionieren des Betriebs wichtig, aber der eigentliche Punkt liegt in der Frage nach der Gegenwart Gottes“.

Diese Frage gilt es, offen zu halten, um als einzelne und als Gemeinschaft vom Sichtbaren unserer Nöte, Sorgen und Krisen zum Unsichtbaren der göttlichen Gegenwart zu gelangen, in der wir Segen empfangen und weitergeben können.

 

Michael Kramps Pfarrgemeinderat St. Clara