Auch in diesem Jahr feiern wir in der Pfarrei St. Martin.
Für die Kinder steht das Martinsspiel, die stimmungsvollen Umzüge mit Laternen und anschließenden Feiern mit süßen Brezeln im Vordergrund. Nicht zu vergessen: Die Lieder, die zum Fest gesungen werden.
Es ist eines dieser Kinderlieder, das mich (als ich es vor einigen Jahren kennengelernt habe) berührt und zum Nachdenken angeregt hat: Im Refrain von „Ein armer Mann“ wird über den Bettler gesungen „Er hört kein gutes Wort – und jeder schickt ihn fort, er hört kein gutes Wort – und jeder schickt ihn fort“.
Was ist es, was den Bettlern in unserer Gegenwart (viel zu oft) widerfährt? Und was wünschen sie sich?
Viele Obdachlose in unserer Stadt grüßen Passanten freundlich und wünschen einen guten Tag. Viele Passanten gehen wortlos vorüber und erwidern diesen Gruß nicht. Mit einem der Bettler habe ich mich unlängst einmal darüber unterhalten, als ich Zeuge einer solchen Szene wurde. Ihm sei es wichtig, sagte er mir, als Mensch wahrgenommen zu werden und auch so behandelt zu werden. Zumindest grüßen könne man doch – man müsse ja gar nichts in den Becher werfen. Freundlich sein, das wäre doch auch schon etwas, was guttut.
Ein gutes Wort.
Anders als Martin haben wir weder ein Schwert noch einen langen und teilbaren Mantel dabei, wenn wir unterwegs sind. Ein gutes Wort aber, das haben wir „dabei“. Das zu teilen, ist so einfach – und wärmt den Empfänger innerlich.
Unsere Mäntel teilen können wir natürlich auch. Wie viele von uns haben Keller, Dachböden und Schränke voll mit Kleidung, die sie nicht mehr anziehen. Vor einigen Wochen hatte ich Gelegenheit bei der Einweihung des neuen Gebäudes im Gasthaus dabei zu sein. Die Kleiderkammer dort ist groß, der Bedarf an warmer und immer wieder frischer Kleidung, wie ich erfahren habe, größer.
Manch einer versucht in den letzten Jahren, das Fest des Heiligen Martin in ein Laternen- oder Lichterfest umzudefinieren. Mit Blick auf die Botschaft der Martinsgeschichte sollten wir uns nicht nur für den Erhalt des Namens „St. Martinsfest“ und seine christliche Einordnung stark machen, sondern auch darüber nachdenken, wo wir selbst – im Rahmen unserer Möglichkeiten – wie Martin agieren können.
Eva Goll